gelesen: Eric-Emmanuel Schmitt: Die Schule der Egoisten

(Fischer-Verlag, Nr. 16960, dt. Ausgabe von 2004)
Auf dem Rücken zum Buch steht, es sei „ein philosophischer Krimi, der uns mit einem Augenzwinkern bis an die Grenzen des gesunden Menschenverstandes führt“ Ehrlich gesagt, hatte ich bei „philosophischer Krimi“ andere Erwartungen. Es geht um die Geschichte eines Doktroranden (seinen Namen erfährt man nicht: wozu auch), der zufällig auf den Namen eines Mannes aus dem 18.Jh stößt. Er treibt sich in Salons herum und übt sich im philosophieren. Zunächst stellt er in Anlehnung an die englischen Empiristen eine Theorie der Wahrnehmung auf: alles was ich mit meinen Sinnen wahrnehme, ist subjektiv, also nur durch mich hervorgerufen. In der Konsequenz denkt er dann weiter, dass alles auf der Welt nur in seinem Kopf existiert. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass er die Welt erschaffen hat. Zweifel ergeben sich aus dem Auftreten der Liebe (aber nur kurz, im Sinne von Sartre und dem Blick des anderen) und der Tatsache, dass seine Geschöpfe (also seine Mitmenschen) ihn nicht als das erkennen, was er ist: nämlich Gott. Soweit zur Philosophie. Der Doktorand weiß natürlich von alledem noch nichts, er widmet sich nur diesem Projekt und versucht Informationen über den Philosophen herauszufinden, was sich als sehr schwierig herausstellt. Als ob sich alle Welt vereinigt hätte um diesen Philosophen zu vertuschen. Er recherchiert, geht kleinsten Hinweisen nach, fährt von Paris nach Amsterdam (und weiter nach Le Havre), wo er die Ahnen vermutet. Schließlich kommt ihm ein alter Mann zu Hilfe, der nur auf ihn gewartet zu haben scheint. Es stellt sich heraus, dass in einem Rythmus von 50 Jahren der Philosoph (Gaspar Languenhaert) auf der Weltbühne auftaucht und seine Geschichte/seine Philosophie weiterschreibt. Das ist natürlich nur möglich, wenn seiner Philosophie glauben geschenkt wird.

Fazit: Insgesamt liest sich das Buch recht flott, sind auch nur 168 Seiten. Im letzten Drittel erinnerte es mich ein wenig an Nietzsche. Wenn man das will kann man sicher auch noch mehr Anhaltspunkte in der Philosophiegeschichte suchen. Spannend ist es allemal. Zuweilen stößt man tatsächlich an die Grenzen des gesunden Menschenverstandes, da alles in dem Buch gut durchdacht scheint und alles mit allem zusammenhängt.

Ein paar nette Zitate habe ich auch noch anzubieten:
Eins vom Anfang – der Doktorand hatte gerade seine Entdeckung gemacht und sich unbändig gefreut. Andere Doktoranden wurden mißtrauisch.
„Im allgemeinen ist der Doktorand ein der Anhänglichkeit fähiges Tier, das sich bisweilen sogar als angenehmer Gefährte entpuppt …. Was ein Doktorand am anderen aber wirklich schätzt, sind nicht etwa dessen Besonderheiten, sondern der Zustand, den er mit ihm teilt, nämlich den der Gefangenschaft. Doktorandenbringen einander eine Art Gefängnisfreundschaft entgegen, in der nichts und niemand so verhaßt ist, wie ein Gefangener, der in die Freiheit entlassen wird.“ (S.28)

Ein zweites von seinem Flug nach Amsterdam:
„Es gibt nichts Abstrakteres als einen Flug: Ich sah mich weder ins Flugzeug steigen noch abheben oder landen; die charmanten, austauschbaren Stewardessen nahmen sich meines kleinen Magens auf charmante, austauschbare Weise an, als sie mir sagten, wir seien am Ziel, sah der Flughafen, auf dem ich ankam, aus wie der, von dem ich gestartet war; mit den Reisenden verhielt es sich ebenso. Aber der Akzent des Taxifahrers gab mir Gewißheit: ich war in Amsterdam.“ (S. 71)

Nochwas zum Autor: von ihm stammt u.a. auch „Monieur Ibrahim und die Blume des Koran“