gelesen: Der Klavierstimmer (Pascal Mercier)

In dem Buch geht es um ein Zwillingspaar, Mitte 20. Ihre Lebenswege trennten sich 6 Jahre zuvor recht plötzlich. Nun trafen sie sich auf Grund eines schwerwiegenden Ereignisses wieder: ihr Vater,  ein Klavierstimmer, der selbst Opern komponiert, sitzt im Gefängnis für den Mord an einem Opernsänger.

Im Roman schreiben beide Geschwister ihre Sicht auf die Ereignisse (ihre frühere Beziehung zueinander, ihre Beziehung zu den Eltern, die Umstände der Tat) für den jeweils anderen auf – um sich von der Vergangenheit zu befreien. Ein verlockender Gedanke, es scheint zu funktionieren.

Ohne das Ende vorweg zu nehmen: ich hatte so etwas vermutet, war aber enttäuscht, dass der Abschied dann tatsächlich so ausging. Das finde ich dem ganzen Buch nicht angemessen.

Insgesamt fand ich das Buch sehr interessant und spannend. Zu Beginn überwiegen die Gedanken zur eigenen Person und zwischen den Geschwistern. Darin eingebunden: Überlegungen zur Sprache, zur Zeit, zur Einsamkeit, zum Gleichklang zwischen Menschen, zur Fremdheit. Im 2. und 3. Drittel dreht es sich dann immer mehr um die Eltern, bzw. die Beziehung der beiden zu beiden Elternteilen sowie ihre Entdeckungen über sie. Das fand ich persönlich weniger interessant, dafür spannend für die Aufklärung der Tatumstände. 500 Seiten, schnell gelesen.

„Niemand hatte mir gesagt, dass Einsamkeit eine körperliche Empfindung sein kann wie Hunger, Durst oder Ekel. Niemand hatte mir gesagt, dass sie zu einem Gefühl werden kann, das einen gefangenhält, obgleich man es nicht mehr spürt. Einmal, als ich sie wieder spürte, versuchte ich mich zu erinnern, wie es gewesen war, als ich mich nicht einsam fühlte. Ich hatte es vergessen. Darüber geriet ich in Panik.“ (Patrice. Erstes Heft, S. 38)

Bereits vor 3 Jahren „Nachtzug nach Lissabon“ vom selben Autor gelesen. Als nächstes steht ein philosophisches Buch von ihm (unter echtem Namen) auf dem Plan.