Was mich so beschäftigt: Digitalisierung

Seit ich in der Elternzeit mit Kind1 war (also seit 2004), beschäftige ich mich mit digitalen Medien im Unterricht. Weitere Stationen waren mein erstes Blogprojekt im Referendariat. Damals begann ich mit einer 7. Klasse im Ethikunterricht Weblog zu schreiben. Einer der Höhepunkte war, als meine Schüler*innen und „das Internet“ den Satz „Es gibt (k)einen Gott, weil…“ vervollständigen sollten. Meine Twitter-Timeline war großartig und es kamen über 70 Kommentare zusammen – über die wir wunderbar im Unterricht diskutieren konnten.

In meiner 2. Staatsexamensarbeit ging es darum, einen Kurzfilm auf Grundlage einer philosophischen Theorie umzuschreiben und neu zu drehen. Einen Kurzfilm drehen! 2008/2009! (ich schrieb darüber: Hobbes in Balance) In den folgenden Jahren probierte ich Tools aus, schrieb darüber und redete darüber. Inzwischen ist es auch hier im Blog stiller geworden.

Ich nutze immer noch viele digitale Medien, aber es ist anders. Digitalisierung hat durch Corona einen Schub bekommen – meine Freude darüber ist, ganz ohne Frage, groß! Dennoch bemerke ich bei mir eine Art Müdigkeit. Ich habe keine Lust mehr, immer neue Tools auszuprobieren. Ich habe auch keine großartige Lust auf das Coaching der Lehrkräfte, die gerade erst anfangen mit digitalen Tools zu arbeiten. Gerade letzteres frustriert mich zunehmend. Einerseits freue ich mich über die Begeisterung, andererseits denke ich: an diesem Punkt hätten wir alle schon vor 15 Jahren sein können… (ok, das ist vielleicht etwas optimistisch gedacht – aber vor 10 Jahren auf alle Fälle!)

Digitalisierung bedeutet gegenwärtig für mich eher, dass Infrastruktur und Tools da sind, dass meine Schüler*innen kompetent damit umgehen können, dass es für uns alle kein Neuland mehr ist, sondern Normalland. Es bedeutet auch, dass ich mir Gedanken um andere Lern-Szenarien mache, um Settings, die Lernen im digitalen Zeitalter ermöglichen, ja sogar erzwingen. Dieses Lernen ist anders – Informationen sind überall und jederzeit verfügbar. Wir müssen sie finden und bewerten können. Außerdem müssen wir sie in unser Netz eingliedern und als Verfügungsmasse nutzen können. Aber bei der Bewertung und aktiven Nutzung von Quellen dürfen wir nicht stehen bleiben. Digitale Medien kreativ für das eigene Lernen zu nutzen, als Mittel zum Zweck – wie der Begriff „medium“ es eigentlich suggeriert – ist ein weiteres Ziel. Den Begriff der Bildung hat Peter Bieri in seinem Vortrag „Wie wäre es gebildet zu sein?“ schön beschrieben. Alles trifft ebenfalls auf digitale Bildung zu.

Das System Schule ändert sich allerdings nur schwerfällig – solange mir immer noch von Kolleg*innen vorgeworfen wird, dass meine Klausuren, die ich „mit Hefter“ schreiben lasse, zu geringe Anforderungen hätten, ist es noch ein weiter Weg. Gerade diese Klausuren prüfen eben nicht, ob jemand Bulimie-lernen kann, sondern ob er/sie mit den Hilfsmitteln umgehen und sie für die eigene Argumentation nutzen kann. Von der Nutzung digitaler Medien in Klausuren fange ich gar nicht erst an… Momentan sieht es für mich oft so aus, als würden digitale Tools mit aller Kraft in das starre System gezwängt, statt es aufzubrechen, zu verändern und an das 21.Jh anzupassen (endlich!).

Digitalisierung bedeutet für mich auch, Vorbild zu sein, die vielen Möglichkeiten zu nutzen und mich weiter zu bilden. Dabei geht es mir inzwischen nicht mehr so sehr um Tools, sondern um grundsätzlichere (wie hier im Blogpost kurz skizziert) und um andere (dazu wann anders mehr ;)) Themen.