gelesen: bell hooks – Bildung als Praxis der Freiheit

Das September-Buch des #Edubuchklubs (https://edubuchklub.de/) war „Bildung als Praxis der Freiheit“ von bell books. Insgesamt finde ich die Idee sehr spannend, gemeinsam ein Buch zu lesen. Dazu gibt es von Nele Hirsch und Gabi Fahrenkrog auch noch Reflexionsfragen zu den Kapiteln, Ende des Monats auch noch eine gemeinsame Besprechung. Ich war leider Ende September verhindert. Aber ich möchte trotzdem meine Gedanken aus dem Buch hier teilen, vielleicht kann jemand daran anknüpfen.

Da ich schon einiges von bell books als Philosophin gelesen hatte, war ich begeistert ein Buch von ihr über Bildung in der Hand zu halten! Sie beschreibt darin in 14 Essays und Interviews ihren Ansatz engagierter Pädagogik. Selbstverständlich ist dieser Ansatz verbunden mit kritischem Denken, Feminismus, Antirassismus und Leidenschaftlicher Bildung. Sie reflektiert ihre langjährige Lehrtätigkeit – auch ihre Ermüdungserscheinungen, Hindernisse bei zu großen Kursen und sogar ihre Hass-Kurse – und die Gründe dafür.
Es war mir eine Freude das Buch zu lesen, es bestätigt mich in vielem, was ich ähnlich sehe und in meiner Lehrtätigkeit so handhabe, ohne bereits so eloquent darüber reflektiert zu haben. Wobei ich sagen muss, dass das in meinem Fach Ethik (auch in Philosophie) natürlich viel leichter umzusetzen ist als in anderen schulischen Fächern. Vieles, was sie beschreibt, gilt für ihren Hochschulkontext, ist aber auf gesellschaftliche Fächer in der Schule übertragbar.

Was ich aus dem Buch mitnehme:

  • schon der Untertitel der Einleitung „Grenzen überschreiten und die Welt verändern lernen“ – besonders der zweite Teil liegt mir am Herzen: es ist unsere Aufgabe, Jugendliche zu befähigen „out of the box“ zu denken. Dazu müssen sie lernen Argumente zu durchdenken, zu prüfen und zu hinterfragen. Dieser Dreischritt liegt vielen meiner Aufgaben zugrunde.
  • „Das herkömmliche Bildungssystem (das auf der Annahme beruht, dass Auswendiglernen und Wiederkäuen von Informationen gleichbedeutend ist mit dem Erwerb von Wissen, das dann abgelegt, gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden kann) interessierte mich nicht. Ich wollte eine kritische Denkerin werden.“ (S. 15) JA!!!! und ja!!!
  • Begeisterung zu wecken, konnte laut allgemeiner Auffassung in der Hochschulbildung die Atmosphäre der Ernsthaftigkeit stören, die als wesentlich für den Lernprozess angesehen wurde.“ (S. 16) Gilt auch für die Schule. Später schreibt sie noch, dass Spaß in den Augen anderer Lehrender verdächtig erscheint, weniger gut und aufrichtig zu lehren. Auch das habe ich bereits erfahren und ich arbeite dagegen an. Tatsächlich glaube ich aber, dass auch bei mir noch Luft nach oben ist: mehr Spaß! Ein kleiner Indikator ist für mich immer, wenn Lernende überrascht sind, wie schnell eine Doppelstunde vorbei ist.
  • „Zunächst ist es unabdingbar, dass die Lehrkraft die Anwesenheit aller Einzelnen wirklich wertschätzt. Es muss deutlich gemacht werden, dass alle Teilnehmenden einen Einfluss auf die Dynamik im Kursraum haben, dass alle einen Beitrag leisten.“ (S. 16) Ersteres versuche ich von Anfang an. Mit steigender Lernendenzahl in meinen Gruppen wird das schwieriger (auch diese Erfahrung beschreibt sie sehr eindrücklich im Buch). Letzteres muss ich noch mehr in den Vordergrund stellen und die Verantwortung fürs Lernen von allen deutlicher herausstellen.
  • Sie referiert in mehreren Kapiteln Gedanken von Paulo Freire. „Es war mir wichtig zu wissen, dass Lehrende im Seminar keine Diktator:innen sein müssen“ (S. 27) Später beschreibt sie noch das Machtgefälle, was in Klassenräumen herrscht und sich aus der Angst der Lernenden speist statt aus dem Respekt gegenüber der Lehrperson. Für mich ist es ein täglicher Struggle, die Lernenden sowohl zu fordern und fördern, als auch zu bewerten. Deshalb teste ich verschiedene alternative Prüfungsformate, die besser zu meiner Art zu Unterrichten passen. Auch das wird im Buch thematisiert und sie formuliert ähnliche Gedanken.
  • Zu Paulo Freire gibt es ein ganzes Kapitel (Kapitel 4) und sie bespricht auch den Vorwurf des Sexismus in seinen Schriften. Ihr Standpunkt ist es, dass man seine Arbeit anerkennen, aber sich dennoch kritisch mit diesem Aspekt auseinander setzen muss. Ich frage mich, ob diese Argumentation auf Kant und seinen Rassismus übertragbar ist.
  • „… beginne ich jeden Unterricht mit der Prämisse, dass wir `Gemeinschaft´aufbauen müssen, um ein Klima der Offenheit und intellektuellen Redlichkeit zu schaffen“ (S. 50) – das ist ein schöner Gedanke, den ich stärker berücksichtigen möchte.
  • „Wir müssen lernen, auch Schwierigkeiten als eine Stufe der intellektuellen Entwicklung zu schätzen.“ (S.158) Das ist ein sehr anschaulicher und zutreffender Satz.
  • „Verantwortung zu übernehmen und nicht so zu tun, als hätten Professor:innen nicht die Macht, die Richtung des Lebensweges unserer Studierenden zu ändern.“ (S. 204) Auch das werde ich stärker berücksichtigen müssen. Diese Verantwortung schwingt zwar oft mit, aber im konkreten Bewusstsein blende ich sie oft aus.

Nun liegt schon das nächste Buch für Oktober bereit https://edubuchklub.de.