Lerntagebuch, Portfolio oder philosophisches Tagebuch?

Oder alles zugleich? Im Ethikunterricht der Klassenstufe 7 habe ich in den letzten Jahren Portfolios eingeführt – ein selbst gewähltes Thema, selbstständige Leitfrage, Arbeit am Portfolio zu Hause oder in der Schule (ich habe dafür und auch für Fragen, etc. immer wieder mal eine Stunde reserviert). Dabei stellte sich oft heraus, dass insbesondere die Formulierung von konkreten Leitfragen und Unterfragen oft sehr viel individuelle Begleitung brauchen (die ich in kleinen Gruppen leisten kann, in größeren – wie jetzt gerade, aber nicht) und für viele Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung darstellen.

Deshalb habe ich mir für dieses Jahr etwas anderes überlegt: ich wollte eine Mischung aus Lerntagebuch, Portfolio und philosophischem Tagebuch. Und: manche arbeiten lieber digital, andere lieber analog. Auch das wollte ich berücksichtigen. Und nochwas: die Corona-Pandemie hat nochmal mehr verdeutlicht, dass die Unterstützung zu Hause sehr sehr unterschiedlich ist. Deshalb wollte ich die Hauptarbeit in der Schule lassen. Dem zu Gute kommt, dass ich in der Klassenstufe 7 drei Ethikstunden habe: eine Doppelstunde am Montag und eine Einzelstunde am Mittwoch. Das brachte mich auf die Idee, die Einzelstunde für das Lerntagebuch zu verwenden. Ich nenne es Lerntagebuch, weil das noch der geläufigste Begriff für meine Schülerinnen und Schüler ist. Mit Portfolio und philosophischem Tagebuch können sie wenig anfangen. Letztlich ist es eine Mischung aus allen drei Formen.

Vorarbeit:

Die Blätter habe ich als A4-Blätter in PowerPoint angelegt und auch ausgedruckt. So kann jede*r entscheiden, ob er /sie lieber am Computer schreibt oder aufs Blatt. Jede*r hat dafür einen Ordner und einen Stick bekommen, auf dem die Powerpoint-Datei drauf ist. (Ja, von mir. Ja, das hätten die Eltern auch kaufen können, ist aber im 10erPack deutlich günstiger.) Für Powerpoint (und gegen Book Creator) habe ich mich entschieden, weil ich nicht noch ein Programm einführen wollte. Außerdem weiß ich, dass die Einführung von Powerpoint zwar in Kl. 5 erfolgt, wenn man es aber nicht nutzt, verschwindet die Kompetenz wieder. Und ich wollte zeigen, dass man damit mehr Möglichkeiten als mit Word hat und durchaus auch etwas anderes erstellen kann als Präsentationen.

Und so läufts:

Montags unterrichte ich (ganz normal). Wir bearbeiten das Thema „Ich und die anderen“ Darin geht es um Identität, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Rollen, ein wenig Freundschaft, Freiheit, Verantwortung jedes einzelnen, Kommunikation, Gruppendynamik, etc. – die üblichen Themen. Die Einheit, die von dem Lerntagebuch begleitet wird, geht voraussichtlich bis nach den Herbstferien. Dann endet auch die Lerntagebucharbeit. Die Lerntagebücher bleiben in der Schule im Schrank. Alle Blätter (auch meine AB, die sind nummeriert.) werden darin abgeheftet. Wenn sie es wollen, können sie gern die Lerntagebücher mal mit nach Hause nehmen – oder auch nur den Stick. Aber im Allgemeinen bleiben sie in der Schule.

AB Lerntagebuch

Mittwochs sollen die Schülerinnen und Schüler dann als erstes aufschreiben, was vom Montag hängen geblieben ist und ein wenig reflektieren. Dafür habe ich ein Blatt gestaltet, was jeden Mittwoch ausgefüllt werden soll (letzte Woche fehlte ich wegen krankem Kind, nächste Woche fällt der Montag aus. Dann fällt dieser Teil natürlich weg). Weiterhin gibt es eine ganze Reihe kreativer und Nachdenk-Aufgaben, die sie erfüllen können – oder als Inspiration nutzen können – wir haben gemeinsam festgelegt, dass mindestens vier erfüllt werden müssen. Zu einigen Aufgaben gibt es Vorlagen.

Beispiele für Aufgaben:

  • Schreibe einen (ausgedachten) Tagesablauf durch deinen Tag mit 35 und 75 Jahren.
  • Gestalte eine Collage oder ein Plakat über dich. Wähle Fotos, Zeichnungen, Bilder, Wörter bewusst aus.
  • Verfasse einen Brief an deinen Enkel.
  • Gestalte deinen Lieblings-Mutmachspruch.
  • Was ist dein Lieblings-T-Shirt-Spruch? (siehe Vorlage)
  • Wer bist du? Stelle dich für ein öffentliches Publikum vor. (siehe Vorlage)

Hier die Vorlagen für die letzten beiden Aufgaben:

Vorlage: T-Shirt-Spruch
Vorlage: Stelle dich einem öffentlichen Publikum vor – Instagram-Version
Vorlage: stelle dich einem öffentlichen Publikum vor – Youtube-Version

Weiterhin gibt es eine Reihe von Nachdenk-Aufgaben, bei denen sie was aufschreiben können, aber nicht müssen. (Wenn nichts aufgeschrieben wird, zählen die natürlich nicht zur Bewertung dazu.)

AB: Netflix-Serie

Ich habe in den ersten beiden Stunden festgestellt, dass es den Schülerinnen und Schülern schwer fällt, sich von meinen Aufgaben inspirieren zu lassen und eigene Ideen dazu zu entwickel. Sie arbeiten eine nach der anderen ab – oder verschönern ihr Deckblatt. Deshalb habe ich eine größere Aufgabe gestellt, die alle machen sollen: wie würde eine Netflix-Serie über euer Leben aussehen? Plane insgesamt mindestens 5 Folgen, wovon zwei von jetzt aus in der Vergangenheit spielen müssen. Außerdem sollen sie sich überlegen, wer die Hauptrolle(n) spielen sollte (wer ist überhaupt eine Hauptrolle neben der eigenen Person?), welche Eigenschaften diese haben sollte, etc.

Mit Hilfe meines Arbeitsblattes überlegen sie sich Titel und Überschriften für die einzelnen Episoden – auf Papier. Dann gehts an den Computer. Da wir das Lerntagebuch sowieso mit Powerpoint machen, habe ich mir genau diese Vorlage runtergeladen und jedem Schüler auf den Stick gespeichert. Die Idee stammt von hier, das Template von hier.

Bewertung

Selbstverständlich möchte ich das Lerntagebuch auch bewerten. Gemeinsam mit der Lerngruppe habe ich einige Kriterien festgelegt, wobei ich auch schon ein paar vorgegeben habe, z.B. Vollständigkeit (mindestens 5 Reflexions-Bögen ausgefüllt), Eigenständigkeit, sprachliche Richtigkeit (Rechtschreibung, Grammatik). Hinzu kamen noch Kreativität, ordentliche Hefterführung (Eselsohren, etc.), Gestaltung des Deckblattes. Dazu erstelle ich in den nächsten Tagen einen Rückmeldebogen, damit ich die Kriterien für alle etwas klarer fassen kann. Er wird sich aber an den Kriterien für das Portfolio orientieren, die ich schon seit Jahren nutze.

Die Abgabe erfolgt dabei entweder digital oder analog. Wer gemischt gearbeitet hat, kann es auch so abgeben. Wobei ich davon ausgehe, dass einige Schüler*innen lieber in einem Medium bleiben und ihre Blätter dann entweder ausdrucken oder alles einscannen.

Download

Die Lerntagebuch-Datei als Powerpoint (.pptx) und als pdf im Nextcloud-Ordner.